Das Netz der Deutschen Bahn (DB) ist vielerorts marode und sanierungsbedürftig. Zu wenig wurde in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten in den Ausbau der klimafreundlichen Schiene investiert. Das bekommt auch die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) zu spüren, die mit ihren Stadtbahnen auf vielen Strecken am mittleren Oberrhein und in der Region Heilbronn die Infrastruktur der Deutschen Bahn nutzt.
„Die vielen Baumaßnahmen, die die Bahn-Tochter DB InfraGO derzeit zur Ertüchtigung und zum Ausbau des Streckennetzes umsetzt, stellen eine große Herausforderung für den täglichen Stadtbahnbetrieb dar“, erklärt Vincent Guth. Der 27-jährige Bauingenieur ist bei der AVG als einer von acht Mitarbeitern*innen für die Planung von so genannten „Sonderverkehren“ zuständig. Diese sind immer dann erforderlich, wenn der reguläre Fahrplan temporär angepasst werden muss, etwa wenn ein bestimmter Streckenabschnitt wegen einer Baumaßnahme temporär gesperrt ist.
Dann heißt es umplanen: Stadtbahn-Fahrzeuge neu disponieren, Schichtpläne für das Fahrpersonal anpassen, Bahntrassen buchen, SEV-Verkehre veranlassen, Triebfahrzeugführer*innen und Leitstelle informieren, Informationen für die Fahrgäste in den verschieden Auskunftssystemen und an den Haltestellen vorbereiten und vieles mehr. Ein komplexer Job, der Guth und seinen Kolleg*innen viel abverlangt – auch weil neben den zahlreichen Baumaßnahmen der DB InfraGO natürlich auch die AVG-eigenen Infrastrukturprojekte berücksichtigt und deshalb oft zahlreiche Sonderverkehre zeitgleich geplant und koordiniert werden müssen.
Geringe Vorwarnzeiten erschweren Planung von Sonderverkehren
„Früher wurde uns von der DB InfraGO eine Vorlaufzeit von circa zehn Wochen eingeräumt. Inzwischen setzt uns die DB InfraGo meist erst drei bis fünf Wochen vorher über ihre Baumaßnahmen in Kenntnis“, berichtet Guth. All dies erschwert eine optimale Planung der Sonderverkehre und vor allem die Information der Fahrgäste der AVG. Denn nicht selten werden die Pläne seitens der DB InfraGO nochmal kurzfristig angepasst. „Wir würden unsere Kund*innen gerne frühzeitiger und adäquat über Baumaßnahmen und Streckensperrungen informieren, damit diese ihre Reisepläne entsprechend anpassen können. Das ist derzeit leider oftmals nicht mehr möglich“, sagt Christian Höglmeier, technischer Geschäftsführer der AVG. Mit ihrer Kritik steht die AVG nicht allein. Auch andere Verkehrsunternehmen in Deutschland und der Fahrgastverband PRO BAHN hatten zuletzt ihren Unmut über die Informationspolitik der DB InfraGO bei der Kommunikation von Baumaßnahmen geäußert.
Zahl der Baustellen hat sich verdoppelt
Verschärft hat sich die Situation stark verkürzter „Vorwarnzeiten“ der DB InfraGO für die AVG durch das neu konzipierte Baustellen-Management des DB-Tochterkonzerns. Im Juli dieses Jahres hatte das Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das aus der Fusion der Sparten DB Netz und DB Station & Service entstanden ist, ein neues Programm mit standardisierten Bauzeiten eingeführt, den so genannten Containern. Damit wollte die Deutsche Bahn auf ihren Strecken feste Zeitfenster für ihre Baumaßnahmen verankern und dadurch ihren Bahnbetrieb stabilisieren. So hat sich zum Beispiel die Anzahl der Einschränkungen für das Jahr 2025 dadurch mehr als verdoppelt.
„Grundsätzlich ist das Container-Konzept eine gute Idee, die auch uns bei der AVG eine bessere Planbarkeit für unsere Sonderverkehre bringen würde. Nur die Umsetzung von der Theorie in die Praxis funktioniert derzeit noch nicht“, moniert Guth, der früher selbst bei der Deutschen Bahn-Tochter DB Netz in Frankfurt tätig war und deshalb auch die andere Seite des Planungstisches gut kennt.
Er kritisiert neben der zu kurzfristigen und wenig transparenten Kommunikation auch die mangelnde Flexibilität der DB InfraGO in diesem Container-Konzept, das fixe Sperrzeiten zwischen 21 Uhr und 5 Uhr vorsieht und nicht das individuelle Betriebsprogramm auf einer Strecke berücksichtigt. Auch auf kurzfristige Entwicklungen – zum Beispiel wenn aufgrund von Großveranstaltungen eine Baumaßnahme auf einem Streckenabschnitt sehr unpassend ist – lässt sich bei solch einem starren Korsett nur schwer reagieren. „Ein Anpassen von Schichtplänen ist maximal bis vier Tage vor Baubeginn noch möglich“, macht Guth diese Problematik deutlich.
Abwechslungsreiche Arbeit mit hoher Verantwortung
Trotz oder gerade wegen der Herausforderungen mag der gebürtige Darmstädter seinen Job. „Die Arbeit als Verkehrsplaner ist sehr facettenreich und mir gefällt es, dass man hierbei mit vielen Bällen gleichzeitig jonglieren muss, damit der Bahnverkehr möglichst reibungslos läuft. Denn für uns ist es wichtig, dass unsere Kund*innen möglichst gut von A nach B kommen und von der Arbeit hinter den Kulissen möglichst wenig mitbekommen sollen. Auch in Zeiten, in denen uns die Modernisierung des jahrelang vernachlässigten staatlichen Schienennetzes unter laufendem Betrieb vor große Herausforderungen stellt.“ Er hofft drauf, dass sich die Situation im kommenden Jahr bessert und die DB InfraGO eine detailliertere und frühzeitigere Kommunikation sicherstellt. Davon würden dann auch die Fahrgäste der AVG profitieren.